Die VWL auf Sinnsuche by Philip Plickert

Die VWL auf Sinnsuche by Philip Plickert

Autor:Philip Plickert [Plickert, Philip]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Frankfurter Societäts-Medien GmbH
veröffentlicht: 2017-03-21T00:00:00+00:00


Die Banken sind fett und gefährlich

Europas Finanzsektor ist derart aufgebläht, dass dies der Wirtschaft schadet.

Ein großer Finanzsektor ist gut fürs Wachstum der ganzen Volkswirtschaft – so hieß es jahrzehntelang, bis die Krise viele alte Gewissheiten erschüttert hat. Nun drehen Ökonomen den Spieß um: Ein übergewichtiger Finanzsektor ist ein Risiko für die langfristige Gesundheit der Volkswirtschaften des Kontinents. „Is Europe Overbanked?“, fragt eine 2014 veröffentlichte Studie des hochkarätig besetzten European Systemic Risk Board (ESRB). 9 Die Forscher haben das neue Wort „overbanked“ in Anlehnung an „overweight“ gewählt. Zu fett sei der Finanzsektor geworden. „Nach allen Indikatoren ist der Patient abnormal schwer“, heißt es in der neuen Studie des ESRB. Dieser ist ein von der EU eingerichtetes Aufsichtsgremium für Europa. An dem brisanten Bericht haben so angesehene Forscher wie die damalige Wirtschaftsweise Claudia Buch (jetzt Bundesbank-Vize) und der Bonner Ökonom Martin Hellwig mitgeschrieben.

Die Fakten, die sie zusammentragen, sprechen eine eindeutige Sprache: Den größten Teil des 20. Jahrhunderts betrug das Verhältnis von Bankkrediten zur Wirtschaftsleistung meist um 40 Prozent. Nach 1990 veränderte sich das. Die Kreditberge begannen zu wachsen, seit den späten neunziger Jahren besonders stark. Und es gibt einen Unterschied zwischen Europa und den Vereinigten Staaten. In Europa ist das Volumen der Bankkredite bis zur Krise über 100 Prozent des BIP gestiegen, in Amerika ging es nur halb so hoch. Die Bilanzsummen der Banken in der EU kamen 2013 auf 274 Prozent des BIP, in manchen Ländern überstiegen sie den sagenhaften Wert von 400 Prozent. Der vergleichbare Wert in den Vereinigten Staaten betrug nur 145 Prozent. Obwohl das Bankensystem in der Krise um etwa 10 Prozent geschrumpft ist, sei es noch immer viel zu groß, finden die Forscher.

Zwar kann man die Größe der Finanzbranche zum Teil damit erklären, dass in einer langen Friedens- und Wachstumsphase große Vermögen entstanden sind und damit mehr Bedarf an Vermögensverwaltung und Banking besteht. Aber das Wuchern des Bankensektors sei weit überproportional und nicht nur damit zu erklären, betonen die Forscher.

In Europa gibt es zudem eine ungesunde Konzentration im Finanzsektor. Die 20 größten Banken in der EU hatten 2012 zusammen eine Bilanzsumme von 23,7 Billionen Dollar, die 20 größten Banken in den Vereinigten Staaten kamen nur auf 12,4 Billionen Dollar. Die Beinahe-Verdoppelung der Größe des EU-Bankensektors in den vergangenen fünfzehn Jahren hat fast ausschließlich mit dem extremen Wachstum der größten Banken zu tun. Diese sind zudem auf höchst riskante Weise gehebelt, das heißt, sie haben viele Kredite und Bilanzpositionen bei nur wenig Eigenkapital. Ohne Risikogewichtung der Bilanz liege die mittlere „Leverage Ratio“ bei 3,9. Das heißt: Für je 100 Euro Anlagen oder Kredite hatten sie nur 3,9 Euro eigenes Kapital. Sie seien „nur sehr dünn kapitalisiert“, schreiben die Ökonomen.

Warum ist ein übergewichtiger Finanzsektor gefährlich? Er belastet das Wachstum der Realwirtschaft, warnen die Ökonomen des Systemrisiko-Rates. Ein aufgeblähter Finanzsektor beansprucht zu viele Ressourcen, sowohl zu viel Kapital als auch zu viele menschliche Talente. Hoffnungsvolle Uni-Absolventen gehen nicht mehr in Unternehmen, um dort reale Produkte zu entwickeln und zu produzieren, sondern sie jonglieren nur noch mit Finanzwerten.

Bis zu einem gewissen



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